Der Medizin-Nobelpreis wird in diesem Jahr an Mary Brunkow, Fred Ramsdell (beide USA) und Shimon Sakaguchi (Japan) für ihre Entdeckungen zur peripheren Immuntoleranz vergeben. Die Preisträger:innen identifizierten einen Sicherheitsmechanismus des Immunsystems, die regulatorischen T-Zellen. Diese verhindern, dass Immunzellen unseren eigenen Körper angreifen und schädigen.
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Unser Immunsystem schützt uns täglich vor tausenden verschiedener Mikroben. Kleine Bestandteile der Mikroben - die Antigene - werden von Dendritischen Zellen an sogenannte T-Zellen präsentiert. Die T-Zellen können danach Mikroben-infizierte Zellen entdecken und töten oder andere Zellen aktivieren, die infizierten Zellen aufzufressen. Aber auch, wenn keine Mikroben in der Umgebung sind, präsentieren Dendritische Zellen Antigene. Dies sind körpereigen und kommen von sterbenden Zellen der Umgebung oder aus der eigenen Zelle. Unser Immunsystem hat eine Schule für T-Zellen, den Thymus. Hier lernen T-Zellen zwischen körperfremd und körpereigen zu unterscheiden. Nur die T-Zellen dürfen die Schule verlassen, die körperfremd erkennen können. Unser Immunsystem hat also prinzipiell gelernt, körpereigen und körperfremd zu unterscheiden. Sehr selten gelangen jedoch auch T-Zellen aus dem Thymus, die prinzipiell körpereigene Bestandteile erkennen können. Werden solche T-Zellen aktiviert, kann es zu Autoimmunreaktionen kommen.
„Ihre Entdeckungen waren maßgeblich für unser Verständnis, wie das Immunsystem funktioniert und warum wir nicht alle schwere Autoimmunerkrankungen entwickeln“, sagt Olle Kämpe, Vorsitzender des Nobelkomitees.
Shimon Sakaguchi schwamm 1995 gegen den Strom, als er die erste Schlüsselentdeckung machte. Damals waren viele Forschende überzeugt, dass Immun-Toleranz nur dadurch entsteht, dass potenziell schädliche Immunzellen im Thymus durch einen Prozess der sogenannten zentralen Toleranz eliminiert würden. Sakaguchi zeigte, dass das Immunsystem komplexer ist und entdeckte eine zuvor unbekannte Klasse von Immunzellen, die den Körper vor Autoimmunerkrankungen schützen – die sogenannten regulatorischen T-Zellen.
Überwachung anderer Immunzellen
Mary Brunkow und Fred Ramsdell leisteten 2001 eine weitere Schlüsselentdeckung. Sie konnten erklären, warum ein bestimmter Maus-Stamm besonders anfällig für Autoimmunerkrankungen war. Sie hatten herausgefunden, dass die Mäuse eine Mutation in einem Gen besitzen, das sie Foxp3 nannten. Sie zeigten auch, dass Mutationen im menschlichen Äquivalent dieses Gens eine schwere Autoimmunerkrankung, IPEX (Immundysregulation-Polyendokrinopathie-Enteropathie-X-chromosomal), verursachen.
Zwei Jahre später gelang Shimon Sakaguchi der Verknüpfung dieser Entdeckungen. Er bewies, dass das Foxp3-Gen die Entwicklung der Zellen lenkt, die er 1995 identifiziert hatte. Diese Zellen, heute als regulatorische T-Zellen bekannt, überwachen andere Immunzellen und stellen sicher, dass unser Immunsystem unser eigenes Gewebe toleriert.
Die Entdeckungen der Preisträger: innen riefen das Gebiet der peripheren Toleranz ins Leben und führten zur Entwicklung medizinischer Behandlungen für Krebs und Autoimmunerkrankungen. Dies könnte auch zu erfolgreicheren Transplantationen beitragen. Mehrere dieser Behandlungen befinden sich nun in klinischen Studien.
Shimon Sakaguchi ist der Deutschen Gesellschaft für Immunologie seit vielen Jahren freundschaftlich verbunden und im bilateralen Austausch mit der Japanischen Gesellschaft für Immunologie präsent. 2019 haben wir die höchste Auszeichnung der DGfI, den Deutschen Immunologie-Preis, an Prof. Shimon Sakaguchi vergeben. Wir sind sehr stolz und glücklich, dass er dieses Jahr den Nobelpreis für Medizin erhalten hat. Dies ist äußerst verdient und würdigt eine der bahnbrechenden Entdeckungen der letzten Jahrzehnte mit unglaublichem Potenzial für die klinische Anwendung.
Mary E. Brunkow, Ph.D. der Princeton University, Princeton, USA. Senior Program Manager am Institute for Systems Biology, Seattle, USA
Fred Ramsdell, Ph.D. 1987 von der University of California, Los Angeles, USA. Scientific Advisor, Sonoma Biotherapeutics, San Francisco, USA
Shimon Sakaguchi, M.D. 1976 und Ph.D. 1983 von der Kyoto University, Japan. Distinguished Professor am Immunology Frontier Research Center, Osaka University, Japan
Weitere Informationen zum Deutschen Immunologie-Preis:
https://dgfi.org/professor-shimon-sakaguchi-erhaelt-den-deutschen-immunologie-preis-der-dgfi/
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Mary Brunkow, Fred Ramsdell (both USA) and Shimon Sakaguchi (Japan) receive the Nobel Prize in Medicine 2025 – Heartfelt congratulations!
The Nobel Prize in Physiology or Medicine this year will be awarded to Mary Brunkow, Fred Ramsdell (both USA) and Shimon Sakaguchi (Japan) for their discoveries on peripheral immune tolerance. The laureates identified a safety mechanism of the immune system, the regulatory T cells. They prevent immune cells from attacking and damaging our own body.
Our immune system protects us every day from thousands of different microbes. Small components of microbes—antigens—are presented by dendritic cells to T cells. The T cells can then detect and kill microbe-infected cells or activate other cells to engulf the infected cells. But even when there are no microbes in the environment, dendritic cells present antigens. These are self-derived and come from dying cells in the environment or from the cell itself. Our immune system has a school for T cells, the thymus. Here, T cells learn to distinguish between what's foreign to the body and what belongs to the body. Only T cells that can recognize foreign substances are allowed to leave the school. So, in principle, our immune system has learned to distinguish self from non-self. However, very rarely, T cells that can recognize components that are essentially self also leave the thymus. If such T cells are activated, autoimmune reactions can occur.
“Their discoveries have been decisive for our understanding of how the immune system functions and why we do not all develop severe autoimmune diseases,” says Olle Kämpe, chair of the Nobel Committee.
Shimon Sakaguchi has been closely associated with the German Society for Immunology (DGfI) for many years and is actively engaged in bilateral exchange with the Japanese Society for Immunology. In 2019, we had the great honor of presenting Prof. Shimon Sakaguchi with the German Immunology Prize, the highest distinction awarded by the DGfI. We are very proud and overjoyed that he has been awarded the Nobel Prize in Medicine this year. This honor is richly deserved and celebrates one of the most groundbreaking discoveries of recent decades — a discovery with extraordinary impact and transformative potential for clinical application.
More information about the Immunology Prize: https://dgfi.org/professor-shimon-sakaguchi-erhaelt-den-deutschen-immunologie-preis-der-dgfi/
Mary E. Brunkow, Ph.D. from Princeton University, Princeton, USA. Senior Program Manager at the Institute for Systems Biology, Seattle, USA
Fred Ramsdell, Ph.D. 1987 from the University of California, Los Angeles, USA. Scientific Advisor, Sonoma Biotherapeutics, San Francisco, USA
Shimon Sakaguchi, M.D. 1976 and Ph.D. 1983 from Kyoto University, Japan. Distinguished Professor at the Immunology Frontier Research Center, Osaka University, Japan
Weitere Informationen (Deutsch)
https://idw-online.de/de/news859269
https://www.tagesspiegel.de/wissen/medizin-nobelpreis-fur-immunologen-sicher-fuhlen-sich-manche-ubergangen--aber-diese-drei-waren-die-pioniere-14481503.html
Further Information
Popular information: https://www.nobelprize.org/prizes/medicine/2025/popular-information/?utm_source=linkedin&utm_medium=social+media+&utm_campaign=nobel+prize+announcements+2025&utm_content=post
Advanced information: https://www.nobelprize.org/prizes/medicine/2025/advanced-information/?utm_source=linkedin&utm_medium=social+media+&utm_campaign=nobel+prize+announcements+2025&utm_content=post
Interview with Shimon Sakaguchi: First reactions. Telephone interview, October 2025: https://www.nobelprize.org/prizes/medicine/2025/sakaguchi/interview/