Dr. Lennard Ostendorf erhält den Preis für seine herausragende Forschungsarbeit, die in einer neuen Behandlungsmöglichkeit für Patienten mit systemischem Lupus erythematodes und anderen antikörpervermittelten Autoimmunerkrankungen resultierte.
Bei Autoimmunerkrankungen werden Bestandteile des eigenen Körpers vom Immunsystem fälschlicherweise als Gefahr eingestuft und bekämpft. Der systemische Lupus erythematodes (SLE) ist eine Autoimmunerkrankung, bei der sich von Immunzellen produzierte Antikörper, sogenannte Autoantikörper, gegen körpereigene gesunde Zellen richten. Dies geht mit Entzündungsreaktionen von Haut, Gelenken oder inneren Organsystemen – wie Niere, Herz oder Nervensystem – einher, was zur Schädigung von Organen führen kann. Bis auf wenige Ausnahmen gelten Autoantikörper-vermittelte Krankheiten als schwer therapierbar. Die beim SLE auftretenden Autoantikörper werden von langlebigen Plasmazellen produziert. Diese Zellen des Immunsystems sind zusammen mit Gedächtnis-T- und Gedächtnis-B-Zellen an der Ausbildung eines immunologischen Gedächtnisses beteiligt. Dieses bildet sich normalerweise nach einer überstandenen Infektion oder Impfungen und schützt uns vor erneuten Infektionen mit dem gleichen Erreger, da es diesen schnell wiedererkennt und unschädlich macht. Gedächtnis-Plasmazellen nisten in spezialisierten Nischen im Knochenmark, wo sie lebenslang große Mengen Antikörper, im Falle des SLE Autoantikörper, produzieren können. Herkömmliche Therapieansätze zielen daher auf eine dauerhafte Unterdrückung von Immunreaktionen ab. Leider sprechen nicht alle Betroffenen auf die verfügbaren Therapiemöglichkeiten an. Daher ist die Entwicklung neuer Therapieansätze notwendig. Die Autoantikörper-produzierenden Plasmazellen stellen hierbei einen guten Ansatzpunkt dar, werden aber von den bisher verfügbaren Therapeutika nicht erfasst.
Das Oberflächenprotein CD38 ist ein klassischer Plasmazellmarker. Lennard Ostendorf konnte zeigen, dass dieser Marker bei SLE-Betroffenen auch vermehrt auf anderen aktivierten Immunzellen, etwa Gedächtnis-T-Zellen, im Blut oder im Urin nachweisbar war. Diese Vorarbeiten konnten CD38 als geeignetes Ziel zur Behandlung von Autoantikörper-produzierenden Plasmazellen identifizieren. Für die neuartige Therapie griff Lennard Ostendorf auf den monoklonalen anti-CD38-Antikörper Daratumumab zurück. Dieser wird bereits seit Jahren erfolgreich als Medikament für Plasmazell-Krebserkrankungen eingesetzt. Es gelang mit diesem Ansatz tatsächlich, den SLE bei zwei Patientinnen erfolgreich zu behandeln. Bei beiden hatte die Autoimmunerkrankung einen lebensbedrohlichen Verlauf genommen, so dass eine experimentelle Therapie gerechtfertigt war. Sie litten unter anderem unter Entzündung von Herz und Nieren sowie durch Antikörper verursachte Blutarmut. Nach einer Daratumumab-Gabe über vier Wochen verbesserten sich innerhalb kürzester Zeit die Krankheitssymptome deutlich. Der Effekt hielt sogar monatelang an. Lennard Ostendorf konnte nachweisen, dass die Zahl der Autoantikörper stark zurückging. Auch bei den aktivierten T-Zellen, denen eine wichtige Rolle bei der Krankheitsentwicklung zugeschrieben wird, konnte Lennard Ostendorf einen positiven Effekt nachweisen. Relevante Nebenwirkungen wurden dabei nicht beobachtet. Mit dem gegen Plasmazellen gerichteten Antikörper Daratumumab konnte somit das krankhaft veränderte Immungedächtnis nachhaltig beeinflusst werden, wodurch sich die Entzündungsprozesse im gesamten Körper verringerten. Die erfolgversprechenden Ergebnisse bei SLE sind möglicherweise auch auf andere Autoimmunerkrankungen übertragbar, bei denen Autoantikörper eine Rolle spielen.
Lennard Ostendorf studierte Medizin an der Charité Universitätsmedizin Berlin und an der Københavns Universität in Kopenhagen, Dänemark. Er promovierte anschließend an der Charité Universitätsmedizin Berlin. Zur Zeit ist er in der Abteilung für Nephrologie und medizinischer Intensivmedizin der Charité als Arzt und am Deutschen Rheumaforschungszentrum als assoziierter Forscher tätig. Er bezeichnet sich selbst als medizinischen Wissenschaftler an der Schnittstelle von Nephrologie, Autoimmunität und Immunologie.
Über den Hans-Hench-Promotionspreis für Klinische Immunologie
Jährlich vergibt die Deutsche Gesellschaft für Immunologie e.V. (DGfI) Promotions- und Early-Career-Preise an Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler, die einen herausragenden Beitrag auf dem Gebiet der Immunologie geleistet haben. Die Preisverleihung fand am 29. September 2023 während der gemeinsamen Jahrestagung der Société Française d’Immunologie und der Deutschen Gesellschaft für Immunologie in Straßburg statt.
Der mit 2.000 € dotierte Hans-Hench-Promotionspreis für Klinische Immunologie wird für die beste, in Deutschland durchgeführte Dissertation auf dem Gebiet der Klinischen Immunologie (Rheumatische Erkrankungen, Autoimmunerkrankungen, Immundefizienzerkrankungen) vergeben. Namensgeber des Preises ist Hans Hench, Diplom-Ingenieur und Unternehmer aus Inzlingen. Er gründete im Jahre 1988 die Hans-Hench-Stiftung. Sie dient der „Förderung fortbildungswilliger Doktoranden, Diplomanden, Ärzten und Therapeuten auf dem Gebiet der Forschung und Entwicklung der Rheumatologie/ Immunologie“.
Stifter des Preises ist die Hans-Hench-Stiftung zur Förderung der Rheumatologie e. V., Freiburg.
Über die Deutsche Gesellschaft für Immunologie (DGfI)
Die Deutsche Gesellschaft für Immunologie e.V. (DGfI), gegründet 1967, vereint führende Naturwissenschaftler und Mediziner, um die Wirkmechanismen der körpereigenen Abwehr zu erforschen. Dadurch werden bedeutende Grundlagen für die Diagnose und Behandlung von Krankheiten geschaffen. Durch nationale Schulungen (Akademie für Immunologie) und im Austausch mit internationalen Fachgesellschaften fördert die DGfI in besonderem Maße den wissenschaftlichen und klinischen Nachwuchs. Auch die Akzeptanz für immunologische Forschung in der breiten Bevölkerung zu erhöhen, ist der DGfI ein wichtiges Anliegen. Mit über 2.300 Mitgliedern ist die DGfI weltweit die viertgrößte nationale Fachgesellschaft für Immunologie. Weitere Informationen finden Sie auf www.dgfi.org.
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