Bundesweit fehlen klinische Forscherinnen und Forscher. Ein strukturiertes Clinician Scientist Programm schafft Freiraum für kliniknahe Forschungsprojekte, die erfolgreiche medizinische Grundlagenforschung der letzten Jahre in die Anwendung in der Krankenversorgung übertragen.
Der Cluster zur Entzündungsforschung hat sich zum dritten Mal in einem harten Wettbewerb zur Förderung durchgesetzt. Dieser Erfolg basiert auf den großen und international sichtbaren Fortschritten bei der Aufklärung von chronischen Entzündungsprozessen in den zwei Förderperioden der vorhergehenden Exzellenzinitiative. Die Ursachen chronisch entzündlicher Erkrankungen wurden aufgedeckt. Mit dem jetzt neu bewilligten Exzellenzcluster „Präzisionsmedizin für chronische Entzündungserkrankungen/Precision Medicine in Chronic Inflammation“ (PMI) werden diese wissenschaftlichen Fortschritte für Patientinnen und Patienten mit chronisch entzündlichen Erkrankungen zur Anwendung gebracht, indem Diagnosen schneller gestellt und individuelle Therapien geplant werden können. Damit diese Translation von molekularer zu klinischer Medizin gelingt, unterstützt der neue Cluster PMI speziell auch die Karriere forschender Ärztinnen und Ärzte. Dazu wird zusammen mit den medizinischen Fakultäten, dem Universitätsklinikum Schleswig-Holstein und der Ärztekammer Schleswig-Holstein ein bundesweit wegweisendes neues Programm zur Ausbildung junger klinischer Forscher und Forscherinnen ab 2019 auf den Weg gebracht.
In der Klinik tätige Forscherinnen und Forscher sind entscheidend daran beteiligt, die Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung möglichst schnell in die Krankenversorgung zu übertragen. Sie sind die Brücke zwischen Grundlagenforschung und Anwendung. So die Theorie. Praktisch bleibt im normalen klinischen Alltag kaum Zeit für ehrgeizige Forschungsprojekte, die dann in den Feierabend verlegt werden müssen. Das ist weder attraktiv noch nachhaltig und erklärt, warum bundesweit Ärztinnen und Ärzte fehlen, die Patientinnen und Patienten behandeln und gleichzeitig erfolgreich forschen. Der Exzellenzcluster „Präzisionsmedizin für chronische Entzündungserkrankungen/Precision Medicine in Chronic Inflammation“ (PMI) hat daher ein strukturiertes Clinician Scientist Programm ins Leben gerufen und durch die Ärztekammer Schleswig-Holstein zertifiziert. Es unterstützt forschende Ärztinnen und Ärzten in unterschiedlichen Ausbildungsphasen während und nach der Facharztausbildung und verschafft ihnen geschützte Zeit für die Forschung. Der Weg zum Facharzt wird nur unwesentlich verlängert und Wissenschaft mit der klinischen Ausbildung eng verzahnt.
Kontakt zu Patientinnen und Patienten zu haben und Teil der Krankenversorgung zu sein, ist für den jungen Internisten Dr. Konrad Aden wichtig. „Gleichzeitig brauchen wir aber auch geschützte Zeit, um die zeit- und organisationsintensive Forschung voranzutreiben. Anders ist das nicht zu bewerkstelligen“, erklärt der wissenschaftliche Mitarbeiter am Institut für Klinische Molekularbiologie (IKMB) der Universität Kiel und Facharzt an der Klinik für Innere Medizin I am UKSH Campus Kiel. Als Internist und Gastroenterologe behandelt Aden zum Beispiel Menschen mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen. Für Betroffene gibt es eine Reihe von neuen, prinzipiell gut wirksamen Medikamenten. Welches der teuren Medikamente im Einzelfall wirkt, lässt sich aber noch nicht sicher vorhersagen. „Derzeit wenden wir zunächst eines der verfügbaren Medikamente an und können im Einzelfall erst nach drei Monaten sagen, ob die Therapie anschlägt oder nicht. Wir glauben aber, dass es möglich ist, das schon im Vorfeld präzise voraussagen zu können.“ Diesen Ansatz möchte Aden in der neuen Förderperiode weiter entwickeln.
Auch Dr. Jan Heyckendorf arbeitet an der Schnittstelle zwischen Klinik und Forschung. Der Oberarzt leitet die Endoskopie und Funktionsabteilung, der Medizinischen Klinik am Forschungszentrum Borstel und erforscht neue Konzepte der Tuberkulose-Therapie auf der Grundlage genombasierte Diagnostik: „Wir entwickeln am Forschungszentrum Borstel - Leibniz Lungenzentrum maßgeschneiderte Therapien, um die Behandlungsergebnisse bei multiresistenter Tuberkulose signifikant zu verbessern und Übertragungsrisiken zu reduzieren. Hierfür bietet der Cluster PMI forschenden Ärzten optimale Voraussetzungen.“
„Mit dem gegen große Konkurrenz gewonnen Erfolg fließen hoch-zweistellige Millionenbeträge nach Schleswig-Holstein. Die Fortsetzung der Erfolgsserie in der Erforschung klinischer Krankheiten wird jetzt in konkrete Therapien umgesetzt. Eine Kernkomponente des Clusters ist die klinische Forschung direkt am kranken Menschen. Und dafür brauchen wir motivierte und engagierte Ärztinnen und Ärzte, die den nötigen Freiraum für die klinische Forschung erhalten“, sagt Cluster-Sprecher Professor Stefan Schreiber, Direktor der Klinik für Innere Medizin I am USKH Kiel und Direktor des Instituts für Klinische Molekularbiologie an der Universität Kiel.
Der Exzellenzcluster „Präzisionsmedizin für chronische Entzündungserkrankungen/Precision Medicine in Chronic Inflammation“ (PMI) wird von 2019 bis 2025 durch die Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder gefördert. Er folgt auf den Cluster zur Entzündungsforschung „inflammation at Interfaces“, der bereits in zwei Förderperioden der Exzellenzinitiative (2007-2018) erfolgreich war. Beteiligt sind rund 300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an vier Standorten: Kiel (Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH), Muthesius Kunsthochschule), Lübeck (Universität zu Lübeck, UKSH), Plön (Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie) und Borstel (Forschungszentrum Borstel –Leibniz-Lungenzentrum). Ziel ist den vielfältigen Forschungsansatz zu chronisch entzündlichen Erkrankungen von Barriereorganen in seiner Interdisziplinarität auch in die Krankenversorgung zu übertragen. Drei Punkte sind im Zusammenhang mit einer erfolgreichen Behandlung wichtig und stehen daher im Zentrum der Forschungen von PMI: die Früherkennung von chronisch entzündlichen Krankheiten, die Vorhersage von Krankheitsverlauf und Komplikationen und die Vorhersage des individuellen Therapieansprechens.
Quelle: Pressemitteilung Exzellenzcluster Entzündungsforschung 10/2018