Im Februar wurde der Covid19-Impfstoff von Novavax in Deutschland zugelassen, in den USA erst Mitte Juli. Immunologie-Professorin Martina Sester und ihr Team haben nun untersucht, wie Novavax-Geimpfte auf den Impfstoff reagieren. Es zeigt sich, dass der Impfstoff zu einer deutlichen Entwicklung von Antikörpern und T-Zellen führt. Im Vergleich zu Biontech- und Moderna-Geimpften war die Menge der Antikörper und T-Zellen jedoch geringer. Vergleichbar zu den mRNA-Impfstoffen war die Wirkung der Antikörper gegen Virusvarianten eingeschränkt, während die T-Zellen, die wichtig sind, um schwerwiegende Verläufe einer Covid19-Erkrankung zu verhindern, die Virusvarianten gleichermaßen erkannten.
Im vergangenen Jahr haben mehrere Studien von Martina Sester, Professorin für Transplantations- und Infektionsimmunologie der Universität des Saarlandes, und ihrem Team internationale Beachtung gefunden. Sehr früh konnten die Forscher zeigen, wie wirksam bestimmte Impfstoffkombinationen sind und wie vielfältig das Immunsystem auf die verschiedenen Impfstoffe reagiert. „Als der Nuvaxovid-Impfstoff der Firma Novavax ab März im Saarland verimpft wurde, haben wir sofort nach Probanden für eine Studie gesucht. Dies erwies sich als etwas schwieriger als bei vorherigen Studien, weil bereits sehr viele Menschen geimpft waren und nach dem ersten Ansturm in den Impfzentren die Nachfrage nach dem Impfstoff rasch wieder nachließ“, erläutert Martina Sester. Laut Angaben des Bundesgesundheitsministerium wurden bisher rund 135.000 Novavax-Impfdosen verabreicht, etwa 60.000 Personen sind bereits zweifach geimpft. Bei rund 60 Millionen Grundimmunisierungen in Deutschland ist das nur ein Anteil von 0,1 Prozent.
Für ihre Studie konnten die Immunologen auf dem Homburger Uni-Campus mehrere Dutzend Probanden gewinnen. Davon wurden 22 Personen, die vorher keine Infektion gehabt hatten und auch nach der ersten Impfung nicht erkrankten, nach der zweiten Impfung detailliert untersucht. Ein Teil davon wurde zudem schon vor und nach der ersten Impfung genauer unter die Lupe genommen, um zu sehen, wie sich die Immunantwort über beide Impfungen hinweg entwickelt hat. Zudem wurden weitere Probanden genauer betrachtet, die sich nach der ersten Impfung mit der Omikron-Variante angesteckt hatten. „Durch unsere Studien mit den Impfstoffen Biontech und Moderna im vergangenen Jahr konnten wir auch bei der relativ geringen Fallzahl ausführliche Vergleiche mit Daten vornehmen, die mit denselben Methoden und unter identischen experimentellen Bedingungen erhoben wurden. Zudem konnten wir auf ein Probenarchiv zurückgreifen. Für alle 22 Probanden haben wir dafür die Daten von geschlechts- und altersgleichen Personen herangezogen, die mit Biontech oder Moderna in ähnlichem Abstand geimpft wurden“, erklärt Martina Sester.
Das Forscherteam fand dabei heraus, dass nur eine Impfung mit Novavax eine zu geringe Immunantwort zeigt, um einen ausreichenden Schutz gegen eine Covid19-Erkrankung zu bieten. Hinreichend war dieser nur bei den Versuchspersonen, die sich bereits vor der ersten Impfung mit dem Coronavirus infizierten. „Nach der regulären Zweifach-Impfung bildeten die Probanden eine Antikörpermenge im Blut aus, die etwas geringer war als bei der Vergleichsgruppe, die mRNA-Impfstoffe erhalten hat“, sagt die Immunologie-Professorin. Deutliche Unterschiede konnte sie hingegen bei den zwei Typen der so genannten T-Zellen sehen.
Die T-Helferzellen unterstützen den menschlichen Körper unter anderem dabei, dass Antikörper gebildet werden. Bei der Vernichtung der infizierten Zellen kommen zudem die T-Killerzellen ins Spiel. Diese sind besonders wichtig, um schwerwiegende Verläufe einer Covid19-Erkrankung zu verhindern. „Bei den von uns untersuchten Personen mit einer Novavax-Impfung waren die Helferzellen in etwas geringerer Menge vorhanden als bei den Biontech- und Moderna-Geimpften, bei einigen konnten wir sie überhaupt nicht nachweisen“ sagt Martina Sester. Sehr deutlich sei der Unterschied bei den Killerzellen gewesen „Diese waren bei allen Novavax-Versuchspersonen kaum nachweisbar. Das hängt mit dem Wirkprinzip dieses Impfstoffs zusammen, bei dem das Spike-Protein von Sars-CoV-2 die Killerzellen nicht so mobilisieren kann wie die mRNA-Impfstoffe. Letztere liefern sozusagen den ‚Bauplan‘ des Spike-Proteins mit und lassen die Zellen wie bei einer Virusinfektion das Spike-Protein selbst herstellen“, erläutert die Immunologin.
In Zusammenarbeit mit Dr. Marek Widera vom Universitätsklinikum in Frankfurt haben die Homburger Forscher zudem Tests durchgeführt, die zeigen, wie gut der Novavax-Impfstoff die verschiedenen Covid19-Varianten neutralisieren kann. „Bisher basieren alle Impfstoffe auf dem Wildtyp des Coronavirus und wir haben bei allen das Problem, dass die Antikörper vor allem die Omikron-Variante nicht mehr so gut erkennen, was zu den weiterhin hohen Inzidenzen führt. Das ist bei Novavax leider nicht anders, wie unsere Studie zeigt“, sagt die Professorin. Die weitere Immunantwort durch die sogenannten T-Zellen funktioniere bei den Biontech- und Moderna-Impfstoffe weiterhin gut, was erklärt, warum geimpfte Personen derzeit viel seltener schwerwiegend erkrankten. „Bei Novavax ist die Immunantwort der Helferzellen durch die zahlreichen Mutationen nicht eingeschränkt. Für die Killerzellen lässt sich keine Aussage treffen, da diese bei den Probanden ja nicht nachweisbar waren. Ob das Fehlen dieser Zellen eher zu schwereren Covid19-Erkrankungen von Novavax-Geimpften führen könnte, muss in den kommenden Monaten beobachtet werden“, unterstreicht Martina Sester.
Zur Verbesserung der Antikörperfunktion empfiehlt sie allen Personen mit einer zweifachen Novavax-Impfung sich nach Ablauf von sechs Monaten mit einer dritten Impfung boostern zu lassen. Bei den kleineren Nebenwirkungen rund um die Impfung wie Kopfschmerzen, Müdigkeit und leichtes Fieber konnten die Wissenschaftler keine Unterschiede zu den mRNA-Impfstoffen feststellen.
Die Studie entstand als Teil der Dissertation von Franziska Hielscher, die sich neben der Wirkung des Novavax-Impfstoffs auch mit der Immunantwort nach einer Impfung gegen Gürtelrose beschäftigt, bei der ebenfalls ein protein-basierter Impfstoff zum Einsatz kommt.
Die Veröffentlichung auf Preprint-Servern wird grundsätzlich nur in Ausnahmefällen als Möglichkeit in Betracht gezogen. Üblicherweise warten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nach dem Einreichen einer wissenschaftlichen Arbeit, bis ein Gremium aus Fachleuten die Arbeit geprüft und für schlüssig befunden hat, so dass die Arbeit in einem anerkannten Fachmagazin (wie beispielsweise Science oder Nature) erscheinen kann. Aufgrund der Dringlichkeit, anderen Forschungsteams auf der Welt Daten bei der Suche nach einem Ausweg aus der Corona-Pandemie einen möglichst umfassenden Zugang zu wissenschaftlichen Erkenntnissen zu geben, hat sich die Gruppe um Martina Sester dazu entschieden, die Studie bereits vorab zu veröffentlichen. Sie ist derzeit auch zur Begutachtung bei einem Peer-Review-Journal eingereicht.
Originalpublikation: Das Forscherteam hat seine Ergebnisse jetzt als Preprint-Artikel veröffentlicht: https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2022.08.02.22278342v1
Quelle: Pressemitteilung Universität des Saarlandes 08/2022